Helmstedt. Am Sonntag beginnt das Turnier um die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Es ist die erste WM im Winter und zudem eine überaus umstrittene, denn Katar gilt nicht als die Hochburg der Menschenrechte.
So sind etwa Frauen nach wie vor in allen Bereichen benachteiligt, für den Bau der WM-Stadien starben Menschen, sogenannte Arbeitsmigranten, der Staat hält weiter an der Todesstrafe fest. Wie denken Menschen im Landkreis Helmstedt über die WM? Wir haben hier und da nachgefragt.
Gastronom Florian Hary, erster Vorsitzender beim DEHOGA-Bezirksverband Land Braunschweig-Harz, sieht die Sache differenziert: „Natürlich ist Katar mit den Rahmenbedingungen, die wir kennen, keine gute Wahl. Was die vor Ort machen, wie mit bestimmten Menschen umgegangen wird, wie die Lebensumstände für die Menschen sind, ist alles, nur nicht gut. Jetzt aber über das Land zu schimpfen, finde ich schwierig. Ich würde die Frage gern zurückdrehen: „Wie konnte man es zulassen, dass die WM dort stattfindet? Von den Umständen im Land in Bezug auf das Rechtssystem und auf Menschenrechte wussten wir schon vorher.“
In seinen Häusern wird Hary kein Public Viewing anbieten. Das aber habe mit seinen Lokalitäten zu tun und nichts mit der WM. Unter seinen Kollegen gebe es beides, Boykott aber auch Zustimmung.
„Ein Boykott ist letztlich die einzige Möglichkeit, die wir im Nachgang haben. Wir waren ja nicht entscheidungsbefugt, können, wenn wir wollen, also nur so handeln. Allerdings stellt sich für mich die Frage, wem wir damit eigentlich schaden, Katar oder doch unserer Mannschaft? Es sind viele Nationen vertreten. Den Fernseher einschalten und meine Mannschaft unterstützen, das möchte ich mir unter Umständen nicht nehmen lassen“, so Hary. Anders sehe er es bei Reisen in das WM-Land: „Damit unterstütze ich ein Land bewusster.“ Den Zeitpunkt für die Weltmeisterschaft hält der Gastronom für falsch, aber: „Auch der ist bewusst gewählt. Das sind alles Dinge, die einem jetzt vor die Füße fallen. Eine Beschwerde darüber kann man sich zu diesem Zeitpunkt sparen. Da hätte man ein paar Jahre früher drauf kommen müssen.“
Claudius Nitschke, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Helmstedt-Wolfsburg, wird die Weltmeisterschaft nicht als solche boykottieren. „Die Spiele der deutschen Mannschaft schaue ich mir schon an. Aber die WM hätte grundsätzlich nicht nach Katar vergeben werden dürfen. Eine WM in einem Wüstenstaat, der dafür klimatisierte Stadien unter denkwürdigen Bedingungen baut, passt nicht in unsere Zeit. Die Entscheidung war falsch. Aus Sicht des Sports halte ich einen Boykott aber nicht für zielführend. Die Sportler arbeiten auf diesen Vergleich hin.“
Dachdecker Jochen Angerstein aus Scheppau hält die Reaktionen vieler Menschen nicht für aufrichtig: „Ich wundere mich über die Aufregung der Halb- und Viertelprominenten, die sich alle über die WM in Katar echauffieren. Das hätte sie vorher tun sollen. Ansonsten kommt bei mir keine Weltmeisterschaftsstimmung auf, eine WM im Winter und in Katar hat der Sport nicht verdient. Abgesehen davon ist Eintracht Braunschweig gerade wichtiger.“
Karl-Heinz Tiede aus Velpke hält nichts von einer WM in Katar: „Wir schauen bei uns überhaupt keinen Sport. Die Vergabe nach Katar finde ich absolut falsch und ist offenbar auch nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen. Ein Land, in dem die Freiheit nicht so groß geschrieben ist und die Menschen misshandelt werden, ist nicht der richtige Ort für so ein Turnier. Da gibt es andere Länder, die eine WM wirklich verdient hätten. Abgesehen davon würde ich nie in ein solches Land reisen.“