4. November 2022
Allgemein

Baumkuchen ist hier Chefsache

Konditormeister Hans-Georg Schmidt hat zur Weihnachtszeit Hochsaison in der Backstube

Das Café Förster ist bekannt für seine Baumkuchen made in Helmstedt. Konditormeister Hans-Georg Schmidt ließ sich bei der Herstellung über die Schulter schauen. Foto: Erik Beyen

Helmstedt. Wenn mit dem ersten Advent die offizielle Vorweihnachtszeit eingeläutet wird, dann hat der Konditormeister Hans-Georg Schmidt vom Café Förster in Helmstedt schon seit Wochen „Weihnachten“ in seiner Backstube. Zig Sorten Plätzchen und Naschereien, dass einem das Wasser im Munde zusammenlaufen möchte, entstehen dort. Mit einer Spezialität hat er sozusagen die Welt erobert: Baumkuchen aus Helmstedt, made by Schmidt. Bei dessen Herstellung durften wir dem Meister auf die Finger schauen. Baumkuchen, das ist eine schweißtreibende Sache. 1902 öffnete das Café Förster seine Türen. Seither gibt es dort auch Baumkuchen. Das Rezept ist Geheimsache. Wir erfahren immerhin, dass es ein Rührteig ist, konkret eine Zwei-Kessel-Masse. Baumkuchen entsteht immer nach dem normalen „Geschäft“ in der Stube. Während die Servicekräfte Torten und sonstige vom Meister herbeigezauberte Leckereien in den Tresen stellen, zündet der Konditormeister das Feuer der Baumkuchenmaschine im Obergeschoss der Backstube an. Das gute Stück stammt von 1895 und hat was von einem Grill. Dort soll sie also gleich entstehen, die Weihnachtsspezialität. Den Teig hat Schmidt schonmal vorbereitet. An diesem Tag wird er zwei Baumkuchen ziehen, besser schichten. Die Baumkuchenherstellung ist eine Wissenschaft für sich, das erfahren wir beim Besuch in des Meisters Backstube.

Das Schichten des Baumkuchens passiert auf Walzen aus Aluminium oder Holz. Holzwalzen geben dem Kuchen noch einmal eine besondere Note. Welches Holz? Buche, der Festigkeit wegen. Eingepackt sind die Walzen in Backpapier, zusammengehalten von Eistreiche.
Für den ersten Baumkuchen an diesem Tag nimmt der Konditormeister die Aluwalze. Die wird vorgewärmt, damit der Kleber, die Eistreiche, hält. Die Maschine treibt die Walze über einen Riemen an. Das hat was.

Dann legt er los, der Meister. Mit einem flachen Löffel träufelt er Teigmasse auf die Walze und bildet so elf Ringe. Dann die Walze unter die Haube näher an das Feuer, Haube runter, und man kann zusehen, wie sich die Farbe der Masse ändert. „Der Baumkuchen, den wir heute kennen, gibt es seit etwa 200 Jahren“, erzählt Konditormeister Schmidt nebenbei. Tatsächlich gehe man aber davon aus, dass die Vorläufer des Baumkuchens aus dem 16. Jahrhundert stammen.
Eine Minute, 15 Sekunden – länger dauert es nicht, bis die nächste Teigschicht auf die Walz muss. Sechs Schichten auf elf Ringe, ab der siebten Schicht füllt Schmidt auch die Lücken, so nimmt der Baumkuchen Form an. Am Ende wird der aus elf Schichten bestehen, sozusagen mit elf Baumringen, denn diese feinen Linien entstehen durch das Backen in Schichten. Beim Konditormeister aus Helmstedt darf die Außenseite ruhig wellig und uneben sein, ganz natürlich, sozusagen mit Astansätzen. „Für meine Meisterprüfung musste ich einen Baumkuchen mit Kamm herstellen“, erinnert er sich an seine Anfangszeit. Der Kamm sorgt für ein gleichmäßiges glattes Äußeres. Während der Baumkuchen auf der Walze wächst, erzählt Schmidt von seiner Ausbildung, schwärmt von seinem alten Meister, zu dem er bis heute ein freundschaftliches Verhältnis habe. Nur eine Sache hat der ihm nicht beigebracht: Baumkuchen herstellen. „Das war immer Sache des Meisters und hier später Chefsache“, lacht er.
In dem kleinen Raum im Obergeschoss der Backstube wird es wärmer und wärmer, dabei ist das Fenster sogar offen. Kein Wunder, unter der Haube der Maschine herrschen 320 Grad. Schmidt muss sich konzentrieren. Die Zahl der Schichten ist wichtig, auch die Reihenfolge, in der er den Teig aufbringt, von rechts nach links und umgekehrt. Alles für den perfekten Baumkuchen.

Eine Stunde und 30 Minuten später sind zwei stattliche Baumkuchen gezogen. Fertig sind sie noch lange nicht, denn da fehlt ja noch die Hülle. Bei Schmidt ist das Zartbitter-Kuvertüre mit ordentlich Kakaobutter-Gehalt – für den richtigen Schmelz. Deren Vorbereitung für den vollendeten Baumkuchen ist eine Wissenschaft für sich. Bis dahin packt Schmidt seine beiden Kuchen in Folie, damit sie ihre zarte Konsistenz behalten. Später überzieht er sie mit Kuvertüre und je nach Bedarf entstehen aus ihnen ganze Baumkuchen, Baumkuchenringe, – spitzen und sogar -schnitten, echte Törtchen.
Seinen Baumkuchen gibt es übrigens nicht nur in Helmstedt, nein bundesweit mögen ihn die Menschen, selbst in Kanada und Südafrika kennt man „the Helmstedter Baumkuchen for Christmas“.
Wenn das Fest der Liebe geschafft ist, wird Hans-Georg Schmidt an die zwei Tonnen dieser Spezialität hergestellt haben. Und jedes Stück ist ein Unikat.

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