7. Dezember 2021
Soziales

Einsatz in der Eifel: Christinas Haus soll gerettet werden

Studierende der TU Braunschweig helfen bei der Sanierung eines Fachwerkhauses nach der Flutkatastrophe

Unter Anleitung des Lehmbauexperten David Moritz (r.) haben Studierende der Institute for Sustainable Urbanism (ISU) und für Bauklimatik und Energie der Architektur (IBEA) der TU Braunschweig die Schäden am Fachwerkhaus vor Ort aufgenommen und Messungen durchgeführt. Auf Masken konnte verzichtet werden, da das Team sich für die Zusammenarbeit auf eine 2G-Plus-Regelung geeinigt hat. Christina (grüne Jacke) steht in der Mitte. Foto: Tobias Pörschke/TU Braunschweig

Kreuzberg an der Ahr/Potsdam/Braunschweig. Sebastian Frenkel und Professorin Vanessa Carlow, Leiterin des Institute for Sustainable Urbanism (ISU) an der TU Braunschweig, kennen sich seit der Schulzeit. Und so kommt es, dass ein Hilferuf aus der Eifel erst in Potsdam gehört wurde und dann seinen Weg bis nach Braunschweig fand, wo Architektur-Studierende nicht lange gezögert und die Mission „Hausrettung“ in Angriff genommen haben. Hier die ganze Geschichte.

Aber zunächst ein Rückblick: Juli 2021. Heftige Regenfälle und die nachfolgenden Sturzfluten haben in der Eifel Häuser und Existenzen zerstört. Zurück blieben Schlamm und Trümmer. Sebastian Frenkel wollte nicht nur zuschauen, er gründete die Aktion „Potsdam hilft der Eifel“ und erzählte Vanessa Carlow von bewegenden Einzelschicksalen. Er fand mehr als eine Verbündete.

Seit Anfang vergangener Woche ist die erste Studierendengruppe gemeinsam mit wissenschaftlichen Mitarbeitenden in der Eifel, um sich gleich ans Werk zu machen. Im Fokus: das Haus von Christina aus Kreuzberg an der Ahr. Sie lebt mit ihren Söhnen in einem Fachwerkhaus, in dem das Wasser vier Meter hoch stand. Die Lehmausfachungen sind von den Fluten zerstört oder ausgewaschen, das Haus ist derzeit nicht bewohnbar, muss samt Anbau von Grund auf saniert werden. Es gibt keinen Strom, aber zum Glück einen Holzofen, um sich aufzuwärmen.
Die Aufgabe jetzt: Die Schäden begutachten und das Haus winterfest machen. Die eigentliche Arbeit beginnt im Frühjahr 2022.

Christina (links ) im Bild) freut sich über die Unterstützung der Studierenden, die unter Leitung des Lehmbauexperten David Moritz (r.) anpacken. Foto: Tobias PörschkeTU Braunschweig

Manche Häuser stehen noch immer leer, an anderen wird gebaut. Vier Meter hoch stand das Wasser in Christinas Fachwerkhaus in Kreuzberg an der Ahr. Ein kompletter Sanierungsfall. Allein nicht zu bewältigen, weshalb die alleinerziehende Mutter auf Sebastian Frenkel zugetreten war.
Frenkel hat die Hilfsaktion „Potsdam hilft der Eifel“ ins Leben gerufen. Darüber wurden bereits mehr als 300 000 Euro gesammelt, unter anderem in Form von technischem Gerät zur Trockenlegung und Sachspenden, wie Generatoren, Werkzeuge und Baustoffe. Außerdem konnte auf diese Weise ein wachsendes Hilfsnetzwerk mit verschiedenen Akteuren und Firmen aufgebaut werden.

Die ausgespülten Ausfachungen werden mit dem angerührtem Lehmbaustoff wiederhergestellt. Foto: David Moritz / TU BS

Viele Helfer

Sebastian Frenkel und Professorin Vanessa Carlow, Leiterin des Institute for Sustainable Urbanism (ISU) an der TU Braunschweig und Sprecherin des Forschungsschwerpunktes „Stadt der Zukunft“, kennen sich noch aus der Schulzeit. Für sie war es keine Frage zu helfen, als Frenkel ihr von der Potsdamer Aktion erzählte. „Sebastian hat von vielen Schicksalen vor Ort berichtet. Mich hat das von Christina besonders bewegt, vielleicht, weil ich auch alleinerziehende Mutter bin. Ich wollte gern helfen. Gemeinsam haben wir die Idee entwickelt, uns um die Lehmausfachungen in Christinas Haus zu kümmern. Da das auch fachlich für unsere Studierenden am Department Architektur interessant ist, profitieren nun viele und auf unterschiedliche Weise von der Hilfsaktion. Ich bin total stolz, dass wir so viele Studierende für die Hilfsaktion gewinnen konnten und den renommierten Lehmbauexperten David Moritz gleich noch mit dazu.“ So startete jetzt die Braunschweiger Initiative des ISU gemeinsam mit dem Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur (IBEA) unter Leitung von der aus der Eifel stammenden Professorin Elisabeth Endres: „Mich hat der Aufruf von Vanessa Carlow und das großartige Engagement von Sebastian Frenkel sofort bewegt, und wir haben das Semesterprogramm kurz vor der Veröffentlichung noch umgestrickt. Zum einen geht es um meine Heimat, zum anderen um einen aus unserer Sicht wichtigen Baustoff, der bei der Ressourcenfrage im Bauwesen an Bedeutung stetig gewinnt. Damit ist es für mich ein absolutes Herzensprojekt in vielerlei Hinsicht.“

Aufwärmen am Ofen, im Haus gibt es keinen Strom. Foto: David Moritz / TU BS

Die jeweiligen Teams aus Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden setzen unter fachkundiger Anleitung durch den Lehmbauexperten David Moritz als Lehrbeauftragten, unterstützt durch das Hilfsnetzwerk und den Menschen vor Ort, Christinas Haus wieder instand. Ihre Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse können die Forschenden später auch auf andere Schadensfälle übertragen. Eine Woche lang sind zehn Studierende vor Ort, um die Schäden aufzunehmen und das Haus winterfest zu machen, Messungen durchzuführen und damit zu beginnen, die Planung der Instandsetzung zu koordinieren. Im Vorfeld haben die Studierenden in Workshops Grundlagen zu Gebäudeaufmaß und Lehmbauweisen erlernt. Hierbei wurden sie an das Material Lehm als Baustoff herangeführt und erhielten erste Einblicke in verschiedene Wandaufbauten und Kombinationen des Baustoffs mit anderen Materialien.

Im Frühjahr geht es weiter

Im Frühjahr 2022 werden viele helfende Hände in einem weiteren Workshop vor Ort die Lehmausfachungen sanieren. Bis dahin können die Wände trocknen und die anstehenden Arbeiten geplant werden. Damit wird es möglich, Theorie und Praxis zu verbinden und im Rahmen der Initiative in der Eifel tatkräftig und nachhaltig zu unterstützen und gleichzeitig den Studierenden Praxiserfahrungen im Lehmbau zu vermitteln.

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