28. August 2021
Allgemein

Das Rätsel der Etrusker-Schale

Wie ist das Fundstück in den Salzstollen in Grasleben gelangt?

Stefan Brosze (r.), Gabriele und Heinrich Lohrengel vom Museumsverein Grasleben mit der geheimnisvollen Schale. Foto: Erik Beyen

Grasleben. Eine kleine unscheinbare Schale könnte die große Geschichte nach Grasleben bringen, besser: Die Salzgemeinde könnte Teil der großen Geschichte der kleinen Schale sein. Die Rede ist von einer gut 2400 Jahre alten Etrusker-Schale.

Dieser Tage brachte sie der bisherige temporäre Besitzer Stefan Brosze aus Delmenhorst nach Grasleben in den Markgrafschen Hof. Dort nahmen sie Gabriele und Heinrich Lohrengel vom Museumsverein entgegen. Und das hat einen guten Grund, denn Grasleben ist, soviel steht wohl fest, eine Station der Schale gewesen. Dem Museumsverein kommt nun die Ehre zu, mehr über eben diese Geschichte zu ermitteln.

Die geheimnisvolle Schale. Foto: Erik Beyen

Die jüngere Geschichte der Schale ist recht farblos. Sie währte 75 Jahre. Die Mutter von Stefan Brosze bewahrte Schmuck in ihr auf, der Sohn „erbte“ die Schale und nutzte sie als Ablageort für Speicherkarten. Wie aber kam die Schale in den Besitz der Familie Brosze? Diese Geschichte bekommt in Grasleben sozusagen Farbe. Sie beginnt vermutlich in jenem Salzstollen, in dem gegen Kriegsende das Reichsfilmarchiv, Kunst, Artefakte aus Musen und im hinteren Bereich auch die Akten der Reichsversicherungsanstalt eingelagert, nein, versteckt waren. Dort in jenem Salzstollen kümmerte sich Broszes Tante Eva um die Aktenberge, und das von 1943 bis 1946. Von ihr hatte Broszes Mutter einst die Schale bekommen.

„Meine Tante war eine grundehrliche Haut“, betont Brosze, will heißen: Wäre die Schale offiziell eingelagert gewesen, Tante Eva hätte sie nie mitgenommen.
Damit hätte die Geschichte auch schon enden können, doch da war eine Sache, die sich bei Stefan Brosze eingebrannt hatte. „Als Kind habe ich meine Mutter gefragt, was das für eine Schale ist“, erzählt er den Lohrengels und „zitiert“ seine Mutter: „eine Etrusker-Schale, hihihi …“ „Damals hatte ich mir nichts weiter dabei gedacht“, lacht er. Damals, denn nun, mit 72 Jahren, will er doch wissen, was es mit diesem geheimnisvollen „hihihi“ auf sich hatte. Sollte die Schale letztlich doch ein Stück aus jenem Versteck sein?

Tatsächlich wollte ein Zufall, dass sich Stefan Brosze an den Mann wandte, der die Geschichte des Salzstollens unter Grasleben aufgedeckt hatte: Heinrich Lohrengel. Eine Sonderausstellung dazu trug den Titel „Das Versteck“, das Buch dazu gibt es nach wie vor beim Verein. Exakt in diesem Salzstollen hatte Broszes Tante immer wieder arbeiten müssen. War da die Schale sozusagen eher als Abfall identifiziert worden und aus Sicht der Tante Eva einfach zu wertvoll. Dann hat sie Gutes getan, denn nun kümmern sich Experten um das kleine Stück Menschheitsgeschichte. Klar ist bereits, das hat Anne Viola Siebert vom Museum für Kulturgeschichte in Hannover herausgefunden, dass die Schale aus Vulci in der Nähe von Rom stammt. Im September wollen Experten des Museums für Früh- und Vorgeschichte in Berlin dem Geheimnis der Schale von Grasleben weiter auf den Grund gehen.

„Wenn sie aus einem Museum stammt, ist sie auch irgendwo registriert“, hoffen Gabriele und Heinrich Lohrengel. Allein das Wissen, wo sie vor 2400 Jahren von Hand hergestellt worden ist, lässt das Herz der Lohrengels höher schlagen. Wer kann schon sagen, ob sie bei den weiteren Untersuchungen noch mehr ihrer Geschichte preisgibt, diese kleine Schale, die 2400 Jahre Erd- und Menschheitsgeschichte nahezu unbeschadet überstanden hat.

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